Pressemitteilung 32/2025
- Betriebsräte-Umfrage legt offen: Statt in den Wandel zu investieren, setzen viele Unternehmen den Rotstift bei der eigenen Zukunftsfähigkeit an.
- Betriebe investieren zu wenig in Digitalisierung, neuen Technologien und Qualifizierung
- Beschäftigung, Ausbildung und Innovationsfähigkeit massiv unter Druck
- Barbara Resch: „Wer heute nicht investiert, baut morgen Stellen ab – und steht übermorgen ohne Geschäftsmodell da.“
Stuttgart. In einer Phase technologischer Umbrüche und geopolitischer Verwerfungen, die mutige Zukunftsinvestitionen erfordern, reagiert eine besorgniserregende Mehrheit der Industrieunternehmen in Baden-Württemberg mit einem fatalen Reflex: Sie versuchen, durch Einsparungen an der falschen Stelle kurzfristig Renditen zu sichern – und setzen damit die Zukunft unseres gesamten Landes aufs Spiel. Die IG Metall Baden-Württemberg kritisiert dieses Vorgehen als strategische Fehlentscheidung, die einem Abwicklungsmodus auf Raten gleichkommt. Dies ist das alarmierende Ergebnis der neuen Welle der regelmäßigen Betriebsrätebefragung der IG Metall.
„Es ist viel zu ruhig im Land. Der Ernst der Lage ist noch lange nicht überall angekommen“, warnt IG Metall-Bezirksleiterin Barbara Resch. „Unsere Betriebsräte sind die Seismographen in den Betrieben. Sie spüren die Erschütterungen längst, während an der Oberfläche viele die Zeichen der Zeit ignorieren. Und ihre Meldungen sind alarmierend: Die breite Masse der Unternehmen tritt mitten im größten Transformationssturm auf die Sparbremse. Das ist eine schleichende Kapitulation vor dem Wandel.“
Die Umfrage unter fast 200 Betriebsräten aus dem gesamten Land zeichnet ein düsteres Bild. Die folgenden Zahlen sind dabei nur ein kleiner Ausschnitt der Ergebnisse:
- Über 60 Prozent der Betriebsräte halten die Investitionspläne ihres Managements für unzureichend, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern.
- Weniger als 50 Prozent der Betriebsräte sind davon überzeugt, dass die aktuellen Produkte die Beschäftigung in den kommenden Jahren sichern können – ein Misstrauensvotum gegen die Zukunftsfähigkeit der eigenen Geschäftsmodelle.
- Fast 40 Prozent der Betriebe planen den Abbau von Arbeitsplätzen. Gleichzeitig sieht fast die Hälfte der Betriebsräte (49,4%) ein hohes oder eher hohes Risiko von Produktionsverlagerungen. Besonders alarmierend: Der Anteil derer, die ein „hohes“ Risiko sehen, ist spürbar gestiegen (von 14,5% auf 19,4%).
- In 37 Prozent der Betriebe sind die Ausbildungszahlen bereits rückläufig. Parallel wird die riesige Chance, Kurzarbeit für dringend nötige Qualifizierung zu nutzen, von den Unternehmen praktisch nicht ergriffen.
Besonders im Zukunftsfeld Künstliche Intelligenz (KI) zeigt sich eine weit verbreitete Zurückhaltung: In fast zwei Drittel der Betriebe wird das enorme Potenzial von KI bislang kaum oder gar nicht genutzt, obwohl die Befragten selber bei Einführung in großer Mehrheit Vorteile erkennen.
„Dieses Zögern ist oft ein Zeichen von mangelndem Mut und fehlender strategischer Weitsicht“, analysiert Resch. „Dabei übersehen die Entscheider: Investitionen in neue Technologien und die Qualifizierung der Beschäftigten sind die beste Sparpolitik. Nur so entstehen produktive Prozesse und zukunftsfähige Produkte, die Wachstum und Beschäftigung langfristig sichern. Die Ideen dafür schlummern in den Belegschaften. Wer dieses Potenzial nicht nutzt, handelt grob fahrlässig.“
Mit der neuen Kampagne „Zukunft braucht Menschen – Menschen brauchen Zukunft“ wird die IG Metall den Druck nun massiv erhöhen, um auf die zugespitzte Lage aufmerksam zu machen und Gegenwehr zu organisieren.
„Wir laden alle ein, sich uns anzuschließen, denn es geht um weit mehr als nur die Zukunft der Industrie: Wenn in den Werkshallen und Bürotürmen das Licht ausgeht, wird es auch im Schwimmbad, der Stadtbücherei und der Kita schnell dunkel", so Resch weiter.
Ihre abschließende Botschaft an die Entscheider ist klar: „Unsere Haltung ist unmissverständlich. Mit der einen Hand zeigen wir dieser Zukunftsvergessenheit die rote Karte. Die andere Hand aber lassen wir ausgestreckt – noch. Wir stehen jederzeit für konstruktive Lösungen bereit. Klar ist aber auch: Die Unternehmen müssen aus dem Abwicklungsmodus aussteigen. Und wenn Banken guten Zukunftskonzepten die Finanzierung verweigern, muss das Land unterstützend eingreifen. Baden-Württemberg braucht jetzt dringend den Mut zum Aufbruch – in den Chefetagen und in der Politik.“